ETF-Combat-Escrima, seine Geschichte, Hintergründe
Zunächst einmal, was macht denn ETF-Combat-Escrima so besonders und unverwechselbar?
Alles in allem sind das wohl:
3 Faktoren, nämlich unsere Ziele, unsere Konzepte und unsere Trainingsmethoden, die seit 25 Jahren auf eine Weise ineinander gegriffen, sich beeinflusst und ergänzt haben, wie wir das in keinem Kampfsystem ansonsten wiedergefunden haben.
3 Faktoren, die in dieser langen Zeit der Entwicklung und immer wieder neuen, kritischen Überprüfung zu einem enormen Gewinn an Trainingseffizienz und Kampfstärke geführt haben.
3 Faktoren, die wir für sich und in ihrem Zusammenwirken jetzt doch etwas genauer betrachten wollen – zum besseren Verständnis und damit am Ende vollkommen klar wird, worum es uns eigentlich geht.
1. Unsere Ziele: realistisch und pragmatisch
Alles begann vor einem viertel Jahrhundert mit einer kleinen Gruppe von Türstehern und ihrem Training im Osten Hamburgs: mit Philip Unsay, dem Sohn des berühmt-berüchtigten Anführers philippinischer Lost-Kommandos, Dante Kommandante Unsay, mit Andi Kommoss, mit Thomas Roggenkamp, mit Sven Trepte und anderen. Sowie eben mit: Bernd Schubert.
Und dieses Training war natürlich von Anfang an auf die Bedürfnisse und die wirklichen Risiken und Gefahren der Sicherheitsbranche ausgerichtet: nackte Selbstverteidigung und das Können, jeden Aggressor wirklich zu kontrollieren und nötigenfalls auch effektiv zu stoppen.
Welche Fähigkeiten also man hier auch erwarb oder verbesserte, sie wurden reinweg als Handwerkzeug für die Arbeit angesehen. Sie wurden als nützliche Hilfe betrachtet, den Job als Sicherheitskraft (im Klartext: Rausschmeisser, Ordner, Ladendetektiv usw.) möglichst unbeschadet möglichst gut und lange tun zu können. Deshalb wurden sie auch entsprechend nüchtern bewertet, nämlich ausschließlich im Hinblick auf ihre Nützlichkeit, Funktionalität, Effektivität und Verhältnismäßigkeit. Und diese Haltung, diese sehr konkrete und harte Zielsetzung, die wir uns bis heute unvermindert erhalten, wurde zur ersten Grundlage der heutigen ETF-Programme.
Früh erkannten wir, dass wir das alte Combat-Escrima für uns weiter optimieren mußten. Das war nötig, denn wir wollten und durften natürlich niemanden umbringen – aber Combat-Escrima war in der Realität so tödlich wie Combat-Schießen! Wir mußten Situationen so zu beherrschen lernen, daß wir es uns auf jeden Fall leisten konnten, den Angreifer am Leben zu lassen und es auch noch hinkriegten, ihn ohne unnötige Verletzungen festzusetzen und der Polizei zu übergeben.
Das ist im Escrima ursprünglich aber gar nicht vorgesehen. Escrima war nie so etwas wie Kampfsport oder Kampfkunst, sondern reines Kampf-Handwerk! Früher wurde es militärisch genutzt, diente 400 Jahre lang den spanischen Konquistadoren zur gnadenlosen Unterwerfung der Bevölkerung, wurde Handwerkzeug von Piraten und Räubern, sowie zum Guerillakampf eingesetzt.
Daher mussten wir zwangsläufig die uns an die Hand gegebenen Konzepte und Trainingsmethoden unseren Bedürfnissen entsprechend anpassen, ohne irgend etwas zu verwässern oder auch nur im Geringsten die Effizienz zu verringern. Zum Glück hatten wir all die hochwirksamen waffenlosen Konzepte mit ihren überlieferten Trainingsmethoden aus dem Pinoy-Boxen und so konnten wir auf einen reichen Fundus zurückgreifen.
Wir hatten beruflich über die Jahre jede Menge Konfrontationen mit gewalttätigen Mitmenschen zu bewältigen, so das es uns so überhaupt nicht an praktischen Erfahrungen fehlte. Der ständige Zwang zur direkten Umsetzbarkeit in realen Auseinandersetzungen verlangte von Anbeginn reelle Konzepte, die, die zweite Grundlage der heutigen ETF-Programme darstellen, welche aber außerdem in den darauf folgenden Jahren auch eine besondere Art zu trainieren hervorbrachte, die zur dritten Grundlage der heutigen ETF-Programme wurde.
Wie hat denn Bernd Schubert, der ja offensichtlich sehr maßgeblich war, eigentlich Escrima gelernt?
Nun, auch wenn im Kampfkunstlexikon von Werner Lind (Sportverlag Berlin 1996) steht, daß er neben Keith Kernspecht über viele Jahre einer der beiden deutschen Vertreter des Latosa-Escrima gewesen ist, sein Basissystem hieß nicht Latosa-Escrima. Der Begriff Latosa-Escrima kam ja später erst auf, war ein kommerzielles Label. Rene Latosa hatte ihn im alten PMAS Combat-Escrima-System unterrichtet. (Final Student Level 1986 / PMAS Escrima Instructor 1987) Seine Basis ist also PMAS Combat-Escrima. 1994 wurde er auf den Philippinen zusätzlich zum 11.Meister des Abaniko-Corto Familienstils von der Insel Negros (Visayas) ernannt, dies war jedoch in Bezug auf unser Training nicht weiter ausschlaggebend.
“ Wir hatten in Hamburg damals wie verrückt trainiert, weil Combat-Escrima war wie es hieß – für den Kampf und sonst nichts! Es ging nur ums Gewinnen. Und das gefiel uns. Später kam immer mehr waffenloses Training/Sparring dazu.“
Rene Latosa war ja selbst mal, auf Grund seiner Fähigkeiten im Cadena de Mano/ Pinoy-Boxen, mehrere Jahre Schwergewichtschampion im Boxen in der US-Army und hatte eine Menge zu bieten. Bernd Schubert trainierte im Zeitraum von 18 Jahren sehr oft mit ihm in Amerika. In dieser Zeit absolvierte er aber auch viel Klingentraining mit Brady Brasil, sowie Turnierarbeit mit Cedric Concon und immer wieder Training im Combat-Escrima – über viele Jahre, auch häufig mit Renes Leuten zusammen, im Golden Gate Park.
Renes Truppe war in der Szene in Amerika damals ziemlich gefürchtet und man hatte einen ‚Heiden-Respekt vor seinem Combat-Escrima. Kunststück – sie/wir haben alle geschlagen! Allein Cedric war zigfacher Westcoast-Champion, Grandchampion, 2-facher WEKAF-Weltmeister und was weiß ich noch alles. Sein Haus sah aus wie ein Warenlager für Trophäen das ist wirklich wahr. Und wenn jemand zu Besuch im Park erschien, um die Jungs zu fordern, dann hat wirklich niemand lange gezögert…“
2. Unsere Konzepte: authentisch und praktikabel
Im PMAS Combat-Escrima, wie es uns über Jahre hinweg von so hervorragenden, pragmatischen und authentischen Leuten wie Rene Latosa, Brady Brasil, Cedric Concon, Ed Chin u.a. in Kalifornien, sowie Bill Newman in London vermittelt wurde, fanden wir die Konzepte, die wir für unsere Arbeit gesucht hatten, ein nacktes, seit Jahrhunderten aufs reine Überleben ausgerichtetes Handwerk.
Später sind wir dann auf den Philippinen auch noch ganz bis an die Wurzeln gegangen, (u.a. über den Navales-Clan hin bis zu den Wurzeln von Dizon / Lehrer von Angel Cabales) da wir unbedingt herausbekommen wollten, ob das was wir taten, zumindest vom Kämpferischen her, authentisch war. Und das war es, auch wenn nicht mehr wirklich philippinisch und man den westlich-kalifornischen Pinoy-Einfluß deutlich spüren konnte. Aber das machte es eigentlich sogar nur besser, stärker.
Die in Amerika lebenden Filipinos sind stolz auf ihre philippinischen Wurzeln, auch wenn sie Escrima in Amerika nicht als Folklore betrieben, sondern eher westlich rational und es entsprechend modifizierten, um damit u.a. im knallharten Profiboxgeschäft Geld zu verdienen. Das war für viele der Alten überhaupt der eigentliche Grund nach Kalifornien zu kommen. Und daher sind sie genauso stolz darauf, Pinoy’s zu sein – nämlich in Amerika lebende Filipinos.(z.B. „San Fransisco Pinoy’s“) Und man ist nicht zuletzt auch stolz auf die 30-jährige Ära des Pinoyboxens im amerikanischen Profiboxsport der 20er Jahre bis 40er Jahre.
Die Konzepte und Methoden, die man uns vermittelte, besaßen anders als andere Methoden und Kampfkünste, eine höchst gewaltsame Geschichte, die bis heute sehr präsent und lebendig in ihnen erhalten geblieben ist: von den Schlachtfeldern und Duellen des Mittelalters, über die Ära des Pinoyboxens, die vernichtenden Einsätze philippinischer Guerillas gegen die japanischen Besatzer im 2. Weltkrieg und die Deathmatches auf Hawaii in den 50ern bis hin zu Amokläufern, Mördern und Piraten unserer Tage.
Alles in allem also Methoden die, wie es schien, das denkbar beste, weil am meisten zielgerichtete und am wenigsten verfälschte oder verwässerte Ausgangsmaterial darstellten.
Aber selbst das beste Material allein reicht nicht aus, es will auch richtig behandelt und genutzt werden.
3. Unsere Trainingsmethoden: kritisch, effektiv und progressiv
Sehr früh schon wurde uns bewusst, dass wir am Ende nichts, was wir nicht auch in einem realitätsnahen Sparring üben und überprüfen könnten, in der Realität wirklich würden umsetzen können. Geschweige denn systematisch und effektiv.
Früher lieferte man sich auf den Philippinen zu Trainingszwecken ohne jegliche Schutzausrüstung regelmäßig im wahrsten Sinne des Wortes knüppelharte Duelle, bei denen man Stöcke quasi als Safetywaffen an Stelle von Schwertklingen einsetzte und so den Tödlichkeitsgrad der Auseinandersetzungen herabsetzte. Dennoch war diese gnadenlose Trainingspraxis überaus verletzungsreich und für unsere heutige Zeit natürlich ziemlich ungeeignet.
Hinzu kam, dass viele der heutigen Lehrer ihre überlieferten, ursprünglich sehr wirkungsvollen Waffenkonzepte nur noch für kommerzielle Zwecke in Form nutzloser Drills und Partnerübungen, nicht mehr jedoch wirklich sparrings- und freikampforientiert vermittelten.
Die Möglichkeit einer realistischen Überprüfung und des „Scharfmachens“ alles Erlernten musste also erst wieder neu von uns geschaffen werden.
Inspiriert von einigen unserer Lehrer (Latosa, Brasil, Concon, Navales etc.), die erfolgreich auch verbandsfremde Wettkämpfe und dabei sogar andere Sportarten wie Boxen und Säbelfechten für sich benutzt hatten, um ihre persönlichen Fähigkeiten in Ermangelung realer Schlachtfelder zu testen und zu optimieren, kam uns dann vor über anderthalb Jahrzehnten die Idee, uns nicht einfach den verfälschenden Regeln anderer Sportarten zu unterwerfen, sondern in Anlehnung an die alten, traditionellen Stock- und Klingenduelle unser eigenes Wettkampfszenario zu entwickeln, das den spezifischen Anforderungen eines realitätsorientierten Escrimatrainings optimal entspräche und möglichst keiner Versportlichung unterläge.
Das Zusammenwirken der 3 Faktoren:
Stellen wir uns doch die ETF-Clubs mal als eine Art Labor vor. Ein Labor, in dem die 3 oben genannten Faktoren zusammentreffen. In dem seit 25 Jahren geforscht, beobachtet, überprüft und entwickelt wird, immer wieder probiert, neu gesucht und weiter verbessert. Funktional, rational, nüchtern und präzise. Entschlossen und unermüdlich. Auch, wenn es manchmal weh tut.
Ein Labor, durch dessen Entwicklungsarbeit nur das im Training überlebte, was einer rein pragmatischen Überprüfung im Sparring und auf Turnieren standhielt und sich gleichzeitig dauerhaft in der Realität der Sicherheitspraxis und ihren tatsächlichen Selbstverteidigungssituationen bewährte.
Ein Labor, in dem sich reale Erfahrungen, Sparrings- und Turniererfahrungen, sowie traditionelle Konzepte ständig beeinflussten, und sich Tag für Tag und mit jeder neuen Stunde wieder gegenseitig befruchteten und stärker antrieben.
In dem die Leute so locker und kameradschaftlich miteinander umgehen, ohne große Konventionen und störende Hierarchien, weil sie die progressive und produktive Trainingsatmosphäre erhalten wollen, die das Arbeiten hier bestimmt.
Ein Labor, das uns auf unserem Weg plötzlich sogar unsere eigenen europäischen Wurzeln und Traditionen der Schwert- Waffen- und Kampfkunst quasi wiederentdecken ließ, deren Qualitäten sich plötzlich in einem ganz neuen Licht zeigten und die, vom Staub alter Missverständnisse, der Unkenntnis und alter Mythen befreit, mit einem Mal erstaunlich hell strahlten.
Bis schließlich, nach Jahrzehnten, die heutigen Übungskonzepte komplett waren: von allem Ballast befreit, grausam intelligent und einzigartig schlüssig.
Mit ihren speziellen Sparringsmethoden, die uns ein äußerst effizientes Training erlaubten, außerordentlich praxisnah und dabei ohne größeres und unnötiges Verletzungsrisiko.
Konzepte und authentische Szenarien, die widergespiegelt auch in den Wettkampfkategorien unserer heutigen Turniere, zur Grundlage unseres heutigen Hiebfechtens wurden (mit Safety-Waffen wie Doppelschwert, Speer, Schwert und Schild) wie auch zur Basis unserer Stockkampfpraxis, bei welcher der Nahkampf mit kompromisslosem Einsatz aller waffenlosen Techniken nicht zu kurz kommt.
Mit ihren aktuellen, heute sehr europäisch anmutenden Lehrprogrammen, was angesichts von vierhundert Jahren spanischen Einflusses auf den Philippinen auch nicht weiter verwunderlich ist. Und da es sich bei den Escrimadores, um von den Spaniern für ihre Zwecke ausgebildete philippinische Krieger handelte, liegen die Wurzeln vom Escrima vermutlich ohnehin zu mindestens 85% in Europa. Da wir zudem hauptsächlich von Pinoy’s in Amerika gelernt haben, ist es klar, daß nach einem weiteren viertel Jahrhundert Escrimapraxis in Deutschland von philippinischen/ protomalaiischen Einflüssen im ETF-Combat-Escrima nicht mehr so viel zu spüren ist.
Und da diese Entwicklung eben in Deutschland stattfand – ist unser Escrima wohl mittlerweile auch ziemlich deutsch. Dies macht es aber überhaupt nicht schlechter – ganz im Gegenteil! Auch wenn hierzulande der Prophet im eigenen Land für gewöhnlich nichts gilt, sollte man sich doch bitte vor Augen führen, daß auch wir hier in der Lage sind, Dinge zu leisten und eine qualitativ hochwertige Arbeit zu liefern. Ganz bestimmt sind das nicht nur Leute in Amerika, was z.B. unschwer anhand der Turnierergebnisse Bernd Schuberts in Kalifornien zu erkennen ist.
Da jedes Kind einen Namen braucht, haben wir entsprechend unseres Hintergrundes ETF-Combat-Escrima gewählt. Der Begriff ‚Combat’ (engl. für Kampf, Gefecht, Streit) sagt sehr viel über unsere Ziele aus. (kompromisslose und pragmatische Vorgehensweise um Gegner bewaffnet oder unbewaffnet zu besiegen oder sie zumindest zum Aufgeben ihres Vorhabens zu bringen) Dieses Ziel mit den Mitteln zu erreichen, die dafür erforderlich sind, darum geht es. Nicht mehr und nicht weniger.
Alles in Allem können wir heute sagen:
Nach einem viertel Jahrhundert Unterrichtspraxis und Erfahrung mit realen Gefahrensituationen sowie mittlerweile über anderthalb tausend Turnierkämpfen (nach brauchbaren Regeln, also in zu mindestens einigermaßen realitätsnahen Duellkonstellationen) und entsprechenden Analysen, brauchen wir heute nicht mehr darüber zu spekulieren, wie etwas funktionieren müsste, welche Optionen ein Kämpfer haben könnte und welche Techniken man auf welche Art sinnvoll einsetzen sollte: WIR WISSEN ES!
Das ist ja eigentlich auch kein Wunder: Wie viele Leute haben sich denn schon so lange und so intensiv damit auseinandergesetzt? Wie viele haben sich denn schon wirklich bemüht, ihre Konzepte und Fähigkeiten zu einem wirklich perfekten Werkzeug zu schmieden? Einem Werkzeug, das möglichst jeden möglichst schnell und möglichst gut auf möglichst alle nur möglichen Formen der Auseinandersetzungen vorbereitet?
Und da stehen wir nun: Unsere Ziele, an denen wir unsere Arbeit immer maßen, unsere Konzepte, die wir daraufhin immer wieder überprüften und unsere Methoden, also die Art, mit kritischer Distanz an alles heranzugehen, haben unserem Training mit den Jahren eine Schärfe und fast schon bösartige Effizienz verliehen.
Und unsere Trainierenden profitieren davon:
Weil sie schneller und leichter echte Vorteile vom Training haben, schneller Fortschritte erzielen, weil sie früher wirkliche Antworten und Einsichten zur Bewältigung von Schlägereien, zur Messerproblematik und den allumfassenden Mechanismen menschlicher Auseinandersetzung finden, weil sie sich bei einem eher realistischen und dynamischen Hiebfechtsport auf einmal sehr wohl fühlen, weil sie den Vollkontaktstockkampf als aufregend spannend und belebend entdecken und ihnen das plötzlich riesig Spaß macht oder sie einfach froh sind, daß die raffinierten Cadena-Selbstverteidigungsmethoden nicht allzu vielen Leuten zugänglich sind. Und weil es ihnen damit plötzlich viel besser geht.
Weil sie merken, dass sie plötzlich WISSEN, was sie tun.
Und wer weiß das heute schon?